Ryan Keen Interview

Interview mit Ryan Keen in London 2018

Wie fühlt es sich an, eine Single zu veröffentlichen und nicht zu wissen, wie die Leute darauf reagieren werden?

 

Ziemlich nervenaufreibend! Ich war ziemlich unsicher bei Never Let You Down, es war die erste Veröffentlichung in 2018 und der erste Song, bei dem meine Stimme im Vordergrund steht und nicht die Gitarre. Für gewöhnlich schreibe ich an der Gitarre und baue dann darauf auf. Ich war nervös und gespannt, aber bisher war das Feedback gut.

 

 

Wenn du eine neue Single veröffentlichst, glaubst du dann immer, dass sie deinen Fans gefällt?

 

Nope! Ich weiß nicht, es ist schwierig. Manchmal habe ich ein gutes Gefühl mit einem Song und es läuft nicht so gut wie gedacht und manchmal glaube ich nicht so daran während ich einen Song schreibe und den Leuten gefällt es besser. Man weiß es nie genau. Ich denke meine eigene Meinung hat nichts damit zu tun, wie es anderen Menschen gefällt.

 

 

Was ist wichtiger: Dass dir ein Song gefällt oder denkst du eher an deine Fans?

 

Ich glaube als erstes muss er mir gefallen denn wenn das nicht der Fall ist, dann veröffentliche ich einen Song, den ich eigentlich gar nicht wirklich gut finde. Das würde es für mich schwer machen, damit dann auf Tour zu gehen und darüber zu sprechen und ihn zu bewerben. Ich weiß das klingt egoistisch, ich meine es nicht so aber wenn ich einen Song nicht wirklich gut finde, würde ich ihn nicht veröffentlichen wollen.

 

 

An welchen Tagen schreibst du für gewöhnlich deine Songs?

 

Tatsächlich jeden Tag! Ich schreibe auch viel für andere Künstler deshalb bin ich in letzter Zeit sehr professionell, mit Montag bis Freitag von 11-19 Uhr. Ich versuche mich an 8 Stunden Sessions zu halten, aber dabei geht es oft um andere Künstler. Für mich selbst gibt es das nicht, da ist es nicht festgelegt. Manchmal spät abends, manchmal früh morgens oder auch mitten in der Nacht, das variiert wirklich sehr. Manchmal gehe ich auf ein Konzert und komme inspiriert zurück und manchmal setze ich mich einfach hin und spiele ein bisschen Gitarre oder ich habe plötzlich eine Melodie im Kopf. Das ändert sich ständig.

 

 

Schreibst du lieber wenn du glücklich oder traurig bist?

 

Wisst ihr, es ist einfach- oder einfacher, traurige Lieder zu schreiben, einfach weil fröhliche Songs schnell zu kitschig werden, wenn man nicht aufpasst. Ein Song über ein schwieriges Thema wird schneller zu einem Produkt. Ich kann gut gelaunt sein und trotzdem traurige Lieder schreiben und ich kann schlecht gelaunt sein und fröhliche Songs schreiben. Meine Stimmung reflektiert also nicht unbedingt was ich schreibe. Ich weiß nicht… irgendwie ist es witzig, dass ich gar nicht wirklich weiß, wie Songwriting funktioniert obwohl es mein Beruf ist.

 

 

Wie würdest du die Entstehung eines Albums beschreiben?

 

Im Moment ist mein Prozess ein bisschen langsam, ich bringe einfach Songs raus. Ich selbst als Fan mag es, wenn andere Künstler ein Album rausbringen aber ich selbst als Künstler, vor allem als unabhängiger Künstler, habe nicht das Geld, um ein Album zu finanzieren, wie ich es gerne würde. Alles verändert sich ins Digitale, vor 10 Jahren war Spotify noch nicht das, was es heute ist und Alben waren so viel gegenwärtiger. Alles vergeht so schnell heutzutage, ich wäre sehr nervös wenn ich all die Zeit und das Geld in ein Album stecken würde, welches dann vielleicht nicht so gut ankommt und 3 Monate später in Vergessenheit gerät. Wohingegen eine Veröffentlichung pro Monat dir die Möglichkeit gibt, die gleiche Menge an Material zu bewältigen. Vielleicht werde ich am Ende eine limitierte Auflage Platten herstellen lassen für meine Fans, die ein Album möchten, anstatt es als ein Ryan Keen Album zu veröffentlichen. Das hab ich im Moment im Kopf, ich würde es gerne so machen. Wir werden sehen, wenn ich das Geld habe mache ich vielleicht alles wieder anders und setze mich hin und nehme ein Album auf aber im Moment ist das auch einfach eine finanzielle Geschichte.

 

 

Wie hat sich Musik machen/ veröffentlichen für dich die letzten Jahre verändert? Was ist anders im Vergleich zu z.B. 2014?

 

In 2014… nun, das baut alles aufeinander auf. Ich habe mehrere EPs veröffentlicht und hatte ein bisschen mehr Geld damals also musste ich ein Debüt Album machen. Es war eine sehr große Sache für mich das dann zu machen und dann ist es sozusagen eskaliert. Ich habe das Album eigenständig hier in England veröffentlicht und habe dann bei verschiedenen Labels in verschiedenen Ländern unterschrieben, z.B. bei Embassy of Music in Deutschland, Universal in Polen und Warner in Australien. Es ist quasi durch die Decke gegangen als erstes Album. Seit dem habe ich einen Song namens Guidance gemacht, den wir bei einem deutschen Label gesigned haben. Danach habe ich mein eigenes Label gegründet und einfach ein bisschen experimentiert. Ich bin komplett unabhängig und mache Songs, die mir wirklich gefallen und veröffentliche diese dann unter meinem eigenen Label. Das macht wirklich Spaß, aber für die Zukunft bin ich mir noch nicht sicher. Im Moment habe ich einen Deal für 3 Singles, unter dem der letzte Song veröffentlicht wurde. Ich werde 2 weitere Songs mit diesem Label veröffentlichen und dann sehen wir weiter. Ich meine, die digitalen Plattformen ändern nach wie vor alles. Es gibt sie seit Jahren aber selbst vor 5 Jahren waren sie nicht… sie hatten nicht den Einfluss, den sie jetzt haben. Sie sind so einflussreich und essentiell. Hoffentlich bekomme ich deren Unterstützung.

 

 

Wer ist dein Einfluss/Inspiration in der Musikindustrie? Wer ist dein Lieblingskünstler?

 

Im Moment ist mein Lieblingskünstler Anderson Paak, der überhaupt nichts mit meiner eigenen Musik zu tun hat aber ich finde diesen Mann großartig. Er ist so gut, spielt Schlagzeug, singt, rappt, er ist wirklich sehr talentiert. Wenn ihr in nicht kennt, solltet ihr ihn euch anhören, hört die NPR, ziemlich cool.

 

 

Ist deine Inspiration Musik zu machen heute noch dieselbe wie als du angefangen hast?

 

Ja! Die Leidenschaft ist genau gleich. Ich bin anders. Ich bin eine andere Person, jeder verändert sich. Ich schreibe nicht mehr über die selben Themen wie vor 4 Jahren aber es kommt noch immer vom selben Ort. Es ist einfach mein Leben. Anders aber ja, es fühlt sich noch immer gleich an.

 

 

Warst du nervös, nach deiner Pause wieder etwas zu veröffentlichen?

 

Ja, ich war extrem nervös! Ich hatte ein paar ernsthafte Schreibblockaden, es ist viel passiert, mein Team hat sich geändert, beruflich und auf einer persönlichen Ebene. Es lief nicht wirklich gut, ich bin in eine Depression verfallen und hab etwas Zeit für mich gebraucht um meine Gedanken wieder zu sortieren. Mental Health ist ein großes Thema in der Musikindustrie und ich musste mein Leben auf die Reihe bekommen um wieder zurückkehren zu können und alles so zu machen, wie ich es möchte. Ich will mit Herz und Seele dabei sein. Ich hab eine Auszeit gebraucht, was vielleicht ein schlechter Zug ist aber ich bin jetzt wieder hungrig, ich will mich wieder verbessern und es hinbekommen. Wisst ihr was, ich wäre wahrscheinlich eh nervös gewesen aber der zusätzliche Druck… du warst eine Weile weg also denkst du, du musst mit etwas wirklich großartigem wiederkommen. Aber ich versuche nicht zu sehr darüber nachzudenken, man kann nie wissen wie die Leute reagieren werden. Vielleicht finden sie es großartig, vielleicht denken sie es ist Schrott, ich weiß es nicht.

 

 

Hattest du Angst, während deiner Pause Fans zu verlieren?

 

Ja, ich habe es irgendwie erwartet. Hoffentlich verliere ich nicht wirklich Fans sondern nur Leute, die ein schwaches Interesse hatten. Da war ein Album zuvor und dann bin ich von der Bildfläche mancher Menschen verschwunden. Dann wieder zu veröffentlichen.. ist ein bisschen wie Instagram. Du musst ständig präsent sein. Ich war darauf vorbereitet, dass sich alles etwas legen würde. Ich weiß nicht, ich glaube Menschen die kommen um mich live zu sehen und die die Shows schätzen, diese Menschen sind Fans und vielleicht ein bisschen mehr an Bord. Die Leute mögen die Gitarre und die Atmosphäre und so und kommen wahrscheinlich deswegen zu den Shows. Ich mag meine Base, sie sind alle so großartig zu mir deshalb glaube ich nicht, dass ich zu viele Fans verliere. Vielleicht die Menschen, die Pop mögen und eher Radio hören, die vergessen mich vielleicht aber die echten Fans.. die rennen hoffentlich nicht weg.

 

 

Verglichen mit dem Room for Light Album hat sich deine Musik ziemlich verändert. War das etwas, was du mit Absicht gemacht hast oder ist es einfach passiert?

 

Das ist schwierig, denn seit Room for Light habe ich hunderte Songs geschrieben. Also wirklich, ich habe sie erst kürzlich durchgeschaut, ich habe tatsächlich hunderte Lieder. Für mich ist es also eine natürliche Entwicklung. Ich hab aber festgestellt, dass ich die Songs in der Zwischenzeit nicht veröffentlicht habe, ich denke also noch darüber nach, einiges zu veröffentlichen, was eher im Room for Light Style ist, also eher dieser Akustik-Gitarre Style. Aber für mich klingt Friday Morning Feeling nicht zu anders… eventuell…. Ja vielleicht… Ich sehe…. Ja, es ist ein anderer Produzent, aber ich habe ein paar Songs gemacht, die noch eher in dem anderen Style sind, dieser Singer-Songwriter-Style. Es ist jedoch schwierig, denn wenn du immer nur das selbe bringst, werden ein paar Menschen es lieben, andere jedoch werden gelangweilt. Wenn du dich aber immer weiter entwickelst, werden es die einen interessant finden und die anderen werden sagen „Oh, mir gefallen deine alten Lieder“, das ist immer so. Die Beatles haben sich neu erfunden, Dylan hat sich neu erfunden, sogar Coldplay. Ich versuche mich immer weiter zu entwickeln.

 

 

Ist es ein Ziel für dich, in den großen Hallen mit z.B. 12 000 Menschen zu spielen oder sind dir die kleineren Venues lieber?

 

Gute Frage! Ich will die größeren Hallen! Größere Shows sind fantastisch, aber ich glaube wenn ich es je schaffen sollte, ein Level zu erreichen, an dem ich Hallen ausverkaufe, dann würde ich nebenbei trotzdem die anderen Shows machen, vielleicht nachmittags oder so. Ich würde die kleinen Locations machen, es ist die Magie in den kleineren Räumen, wenn man die Atmosphäre fühlen und die ganzen Gesichter sehen kann. In den großen Hallen sind natürlich ziemlich viele Lichter, sodass du die Gesichter der Leute nicht sehen kannst. Allerdings ist es schon toll wenn die ganze Menge schreit oder mitsingt oder jeder so ein kleines Licht hat.

 

 

Wo glaubst du ist das Limit bezüglich der Größe der Location für deine Art von Musik? Zum Beispiel 10 000 oder..?

 

Ich wäre hin und weg von 10 000, das ist ziemlich schwierig um ehrlich zu sein. Ich habe immer geglaubt, dass Ed riesig werden würde. Ich habe Ed Sheeran vor ca. 8 Jahren getroffen und wir haben in einem Pub in Nord London gespielt, mit vielleicht 30 Leuten. Damals dachte ich: „ Ja, er wird groß werden“ aber wisst ihr, er hat jedes Stadium um die Welt ausverkauft, er hat die größte Tour in der Geschichte Australiens gespielt, er hat jedes Stadium ausverkauft! Es ist irgendwie unberechenbar, ich erwarte nicht, dass meine Musik es so weit bringt wie er es geschafft hat, ich bin nicht so kommerziell mit meinem Sound. Ich bin ein bisschen mehr ein Nischen Genre, aber man kann nie wissen, ich glaube er hat sämtliche Erwartungen übertroffen mit wie weit er es wirklich geschafft hat.

 

 

Findest du, dass deine Musik in kleinen oder großen Hallen besser klingt? Viele Bands spielen große Hallen und viele Solokünstler in kleineren Clubs, Glaubst du das ist etwas, was du bedenken musst?

 

Nicht wirklich, ich meine es gibt definitiv diesen Rock-Stadium Sound mit den Bands aber ich glaube Kreativität ist die Lösung. Ich gehe nicht gerne zu ihm zurück aber Ed, mit jedem Schritt den er gegangen ist hieß es, „Das ist eine ziemlich große Venue für dich und dein Loop Pedal“ und er so: „Naahh, lass es uns versuchen“. Wenn das funktioniert dann wirst du kreativer mit den Sounds und Lichtern und vergrößerst alles auf diese Art. Ich versuche schon mehr mit LeeRoy zu machen, ich hab ihm triggering sounds geholt und ich mache mehr mit meinen Pedals. Ich glaube es ist oft auch eine Frage der Energie der Songs. Wenn du einen tollen Song schreibst, brauchst du keine große Produktion drum herum. Ich glaube Passenger ist ein ziemlich gutes Beispiel dafür, oder? Er braucht nicht viel, wenn er anfängt zu singen gehen alle darauf ein.

 

 

Gibt es jemanden, dem du deine neuen Lieder immer als erstes zeigst?

 

Wahrscheinlich Dan.. SLANG. Er ist vermutlich der, der immer alles als erstes hört, er ist auch mein strengster Kritiker. Er ist mein bester Freund, also ist es ihm egal, er ist halt ehrlich ohne zu versuchen, übertrieben nett zu sein. Er ist eher so: „Nahh, das ist ein Scheiß“. Er ist ein guter Kerl.

 

 

Wenn du nur einen Song für den Rest deines Lebens spielen könntest, welcher wäre es?

 

Von meinen eigenen oder von jemand anderem?

 

Ist egal!

 

Wenn ich einen meiner Songs spielen würde, würde mir langweilig werden. Im Moment spiele ich gerne Make You Feel My Love von Bob Dylan, ich meine dieses Lied ist… ich würde es ein bisschen ändern müssen, man würde so die Schnauze voll haben. Wenn ich die nächsten 10 Jahre den selben Song spielen würde, wüsste ich nicht, ob ich in 10 Jahren die selbe Antwort geben würde.

 

 

Hast du manchmal das Gefühl, dass du eine Auszeit von der Musik und dem Business brauchst?

 

Nicht mehr, ich habe mich so gefühlt. Ich komm ganz gut damit klar und mache inzwischen viele andere Dinge, ich laufe und meditiere inzwischen viel. Ich bin außerdem besser darin geworden, mal auszugehen und was anderes für einen Abend zu machen. Ich denke dann mal für einen Abend an nichts und konzentriere mich danach dann wieder darauf, anstatt zuzulassen, dass das eine 24/7 Sache ist.

 

 

Was tust du, um dich abzulenken und zu entspannen?

 

Laufen! London ist eine verrückte Stadt und wie ihr sehen könnt lebe ich inzwischen ziemlich mittendrin, ich habe also alles hier, laufe am Fluss entlang oder was auch immer. Ich darf immer noch viel reisen, für Gigs und mit Quicksilver, ich gehe surfen, es gibt für mich immer noch viel Ablenkung. Meine Freunde und Familie sind natürlich die offensichtlich größte Ablenkung.

 

 

Wie würdest du deine Musik jemandem beschreiben, der sie nie zuvor gehört hat?

 

Das ist ziemlich schwierig. Ich glaube ich falle inzwischen in die Pop Kategorie. Ich denke es ist Pop, Singer Songwriter, Gitarre. Es ist wirklich richtig schwierig. Wenn ich es erklären müsste, würde ich sagen, dass mein Hintergrund dieses ziemlich technische Gitarrenspiel ist mit traditionellem Songwriting.